Sehr geehrte Damen und Herren,
als Generalkonsul Ungarns in München ist dieser Tag für mich von tiefgreifender Bedeutung. Der ungarische Holocaust-Gedenktag am 16. April erinnert uns nicht nur an das unfassbare Leid, das vor 80 Jahren etwa 600.000 ungarische Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgten, Homosexuellen, Kranken und Behinderten erleiden mussten – es erinnert uns auch an die Verantwortung, die wir heute und in Zukunft tragen.
Dieser Tag ist kein bloßes Kapitel der Geschichte. Es ist ein lebendiger Appell an unsere Gegenwart. Denn Erinnerung ist kein abgeschlossener Prozess, sondern ein aktiver Teil unseres täglichen Lebens. Nur durch bewusste Auseinandersetzung und aktives Gedenken können wir verhindern, dass sich solche Gräueltaten jemals wiederholen.
Gerade hier in München – einem Ort, der in der Geschichte des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle spielte – ist das Erinnern keine Option, sondern eine Pflicht. Und es erfüllt mich mit besonderem Stolz, dass wir in diesem Jahr auch einem bedeutenden Jubiläum gedenken dürfen: Vor genau 80 Jahren wurde die Kultusgemeinde München und Oberbayern wiedergegründet.
Zu diesem besonderen Anlass möchte ich der Gemeinde meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. Besonders hervorheben möchte ich die außergewöhnliche Arbeit der Präsidentin, Frau Charlotte Knobloch. Ohne ihr Engagement, ihre Ausdauer und ihre Leidenschaft würde die Gemeinde in ihrer heutigen Form nicht existieren.
Die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Ungarn ist tief in unserer nationalen Identität verwurzelt. Sie war, ist und wird ein unverzichtbarer Bestandteil unseres kulturellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sein. Jüdinnen und Juden haben unsere Städte, unsere Kunst, unsere Literatur, unsere Wissenschaft und unser Denken geprägt – und tun es noch heute.
Wir sind stolz darauf, dass in Budapest die zweitgrößte jüdische Gemeinde Europas lebt – in Sicherheit, frei von den alltäglichen Angriffen und Bedrohungen, die in vielen Teilen Westeuropas leider immer häufiger werden. In Ungarn können jüdische Mitbürger ihren Glauben, ihre Kultur und ihre Identität offen und ohne Angst leben.
Wir sprechen es offen aus: Die Migrationswellen der letzten Dekade haben neue Risiken mit sich gebracht. Antisemitische Einstellungen und Bedrohungen, die anderswo importiert wurden, gefährden in Teilen Europas das jüdische Leben. Umso wichtiger ist es, unsere Werte zu schützen – mit klarer Haltung, mit Taten, und mit zero Toleranz gegen Antisemitismus, dass jüdisches Leben auch künftig einen sicheren Platz in unserer gemeinsamen europäischen Zukunft haben wird.
Wie dürfen die Erinnerung nicht als etwas Vergangenes betrachten. Sie muss weiterleben – in unseren Schulen, in unseren Familien, in unserer politischen Verantwortung. Denn die Zukunft können wir nur auf einem Fundament der Wahrheit und des Gedenkens aufbauen.
Wir gedenken heute nicht nur der Opfer. Wir bekennen uns auch zur Zukunft: zu einer Zukunft, in der jüdisches Leben in Ungarn und in Europa sicher, lebendig und sichtbar bleibt. In der jüdischen Kultur nicht nur erhalten, sondern gefeiert wird.
NIE WIEDER!